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LET’S TALK REAL ESTATE

03/11/2021

Jede Branche wandelt sich, doch in der Immobilienwirtschaft hat dieser Prozess spät begonnen. Sahar Zabler, Business Unit Managerin Construction & Real Estate bei HAGER Executive Consulting, erklärt, warum die Branche nur langsam auf die Digitalisierung reagiert hat und welche Chancen und Herausforderungen sich daraus ergeben.

HAGER LETS TALK REAL ESTATE - Sahar Zabler

Was fasziniert Sie an dem Thema Real Estate?

Was ich sehr spannend finde, ist die Marktdynamik. Real Estate ist wahrscheinlich die mit Abstand schnellste und agilste Branche derzeit. Gleichzeitig, das haben wir durch Corona gesehen, sind Immobilien krisenresistent. Wenn Büro-Immobilien mal nicht besonders gut laufen, verlagern sich die Interessen und Nutzungsklassen und man fokussiert sich stärker auf den Bereich Wohnen oder Logistik.

Die Immobilienbranche befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Die Digitalisierung – Stichwort: digitale Zwillinge oder PropTech – ist auch hier in vollem Gange. Wie hat das Ihren Job verändert?

Die Immobilien- oder Baubranche ist grundsätzlich eher konservativ. Wenn ich mich innerhalb unseres Portfolios bei HAGER umsehe, gehört Real Estate zu den Business Units, die mit Abstand am spätesten mit der Digitalisierung angefangen haben. Wir sind noch relativ am Anfang. Was sich die letzten Monate verändert hat und was ich persönlich sehr spannend finde, ist eine veränderte Unternehmenslandschaft. Es sind viele neue Player hinzu gekommen an Firmen und Start-Ups, die wir jetzt als Neukunden gewinnen konnten. Überhaupt drängen hier viele junge, dynamische Unternehmen auf den Markt. Das kennt man sonst nur aus der IT-Branche. Früher gab es die klassischen, altbekannten Unternehmen, da wurde mal fusioniert, mal ist eines insolvent gegangen, viel mehr Bewegung war da nicht. Durch Transformation und disruptive Prozesse sind hier viele neue Positionen entstanden.

Was heißt das für den Bewerber:innenmarkt? In welchen Bereichen gibt es denn neue Berufsbilder?

Zunächst einmal gibt es eine Verlagerung der Kompetenzen innerhalb der Unternehmen. Früher hat man IT-Themen beispielsweise oft outgesourced. Das geht in Zeiten der digitalen Transformation nicht mehr so einfach. Diese Jobs können schon ausgelagert werden. Noch vor sieben, acht Jahren haben wir selten Leute mit einem digitalen Profil rekrutiert. Verglichen mit anderen Branchen ist das alles ziemlich neu. Deshalb ist mein Job mit der digitale DNA von HAGER interessant. Da kommen zwei Spezialisten und das entsprechende Know-how zusammen. Neue Jobs entstehen zum Beispiel im BIM-Management, im Bereich von Lean Construction oder im Prop Tech. Letzteres ist beispielsweise für BWLer interessant, die sich innerhalb eines Unternehmens spezialisieren und thematisch neu aufstellen wollen.

Was sind denn aus ihrer Sicht die vielversprechendsten technologischen Neuerungen im Immobiliensektor? Und was wird eventuell überschätzt?

Zunächst einmal muss man wissen, dass jedes Segment innerhalb der Bau- und Immobilienbranche einen anderen Schwerpunkt hat. Die Immobilienverwaltung braucht andere technische Lösungen als jene, bei denen es um einen schnelleren Prozess innerhalb der Realisierungsphase geht. Das heißt, die Anforderungen sind sehr unterschiedlich. Was aber für alle gilt: Die Gebäude sollen effizienter genutzt werden, zweitens, das Thema, das alles überstrahlt, ist die Nachhaltigkeit. Hier geht es um die Frage, wie die Immobilienbranche durch einen intelligenten Einsatz von Ressourcen zum Klimaschutz beitragen und einen Mehrwert leisten kann.

Wie gehen Sie eigentlich durch Städte? Scannen Sie die Gebäude und machen sich innerlich Notizen?

Ja, das ist tatsächlich eine Art Berufskrankheit. Allerdings gehe ich nicht wie ein Architekt oder Bauingenieur vor. Ich überlege nicht: ‚Hohe Decken, das ist aber ganz schön teuer‘ – wie das ein Bauunternehmer tun würde. Oder umgekehrt, wie ein Architekt: ‚Oh, schön, hohe Decken.‘ Ich scanne das eher nach Kriterien wie: Das hat ein Kunde von mir gebaut. Oder ich kenne den Bauträger, den Investor oder den Architekten. Gerade bei den so genannten Core Immobilien in den A-Städten ist das der Fall. Das sind in Deutschland die Top 7:  Berlin, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Stuttgart und München. Das hat man einfach auf dem Radar.

Auch Corona (sorry, wir müssen noch ein letztes Mal darüber sprechen), hat eine neue Dynamik entwickelt. Erstmals verlieren große Städte Einwohner bzw. haben eine negative Bevölkerungsentwicklung. Ist das ein Trend, der sich weiter verfestigen wird?

Wir haben in der Tat wahrgenommen, dass die Ballungszentren als Wohnort ein bisschen an Attraktivität einbüßen. Aber wir kommen hier von einem hohen Niveau. Ballungszentren sind nach wie vor gefragt. Kultur, Freizeit, Unterhaltung, also alles, was in den Bereich After Work fällt, wird tendenziell eher im urbanen Raum stattfinden. Ein Museum lässt sich nicht mal eben von Berlin nach Potsdam verlagern. Diese Anziehung wird also bleiben. Anders sieht es aus mit dem privaten Wohnort. Muss ich in der Innenstadt wohnen, wenn ich ohnehin vermehrt im Homeoffice arbeite? In dieser Hinsicht gewinnen die Randgebiete gerade an Attraktivität. Dieser Shift hat bereits vor Corona begonnen. Ein Beispiel: 2019 haben 15 Bürgermeister des Landkreises Vorpommern-Greifswald in der Hauptstadt für ihre Region geworben. Statt hohe Mieten für beengten Wohnraum zu bezahlen, lockten sie mit weitläufigen Grundstücken, großen Häusern und einem unverstellten Blick. Das kann sogar funktionieren, wenn eine entsprechende Infrastruktur gegeben ist, man also gut an die Metropole angeschlossen ist.

Was bevorzugen Sie selbst? Stadt oder Land?

Ich persönlich bin kein Land-Mensch. Vorletztes Jahr war ich eine Zeit lang in Texas. Das war tiefste Provinz, da musste man 15 Minuten mit dem Auto fahren, um einen Liter Milch zu kaufen. In Deutschland ist das auch oft so, wir sind in dieser Hinsicht keine Vorreiter. Ich muss zwar nicht in der Fußgängerzone wohnen, aber mir ist schon wichtig, dass ich eine gewisse Infrastruktur habe.

Gibt es bestimmte Blogs oder Podcasts, die man hören sollte, wenn man sich für das Thema Immobilien interessiert?

Was wir in der Branche natürlich immer lesen, ist die Immobilien-Zeitung. Das ist so etwas wie unsere Bibel. Aber sonst? Für uns ist es ja wichtig, Dinge vor den anderen zu wissen. Und wenn das bereits in einem Podcast oder Blog Thema ist, ist es für uns bereits spät…

Wir haben bereits über Berufskrankheiten gesprochen. Was ist denn ihr Berufsgeheimnis? Wo und wie informieren Sie sich?

Für uns geht es um Wissensvorsprung. Deswegen ist ein gutes Netzwerk immens wichtig. So erfährt man beispielsweise, dass eine CEO-Stelle neu besetzt werden soll oder dass das Unternehmen X mit Unternehmen Y fusioniert. Hier sehr früh Informationen aus erster Hand zu haben, ist Gold wert. Das heißt im Umkehrschluss, dass Diskretion sehr, sehr wichtig ist. Das ist für die Personalberatung ohnehin entscheidend, für die Immobilienbranche gilt das im Besonderen. Wir sind wie eine Familie. Man kennt sich, wie man so schön sagt.

Wie sieht es eigentlich aus mit der Diversität? Ist die Immobilien immer noch so stark männlich geprägt wie man vermuten würde?

Es kommt drauf an, das kann man nicht pauschalisieren. Wenn man unter den Bauleitern schaut, die mit Helm und Stiefeln die Baustelle koordinieren, sind das bestimmt zu 99 Prozent Männer. Das ist immer noch so. Andererseits gibt es vor allem im klassischen Propertymanagement sehr viele Frauen. Insgesamt würde ich sagen, dass die Branche aber weiblicher wird und sich auch vermehrt Frauen eine Position innerhalb der Immobilienbranche zutrauen.

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