McKinsey hat kürzlich errechnet, dass uns die Pandemie in Sachen Digitalisierung rund sieben Jahren nach vorne befördert hat. Das geht weit über Videokonferenzen und Online-Shopping hinaus. Schauen wir auf 2022 – und die spannendsten digitalen Trends von Dekarbonisierung bis Tokenisierung.
1. Mehr als eine Luftnummer: CO2 neutralisieren
Am besten wäre es natürlich, Emissionen entstünden erst gar nicht. Laut Statista wurden im Jahr 2020 weltweit rund 34,8 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. An der Entwicklung seit 1995 ist zu erkennen, dass die ausgestoßene Menge an CO2 mit nur kleinen Ausnahmen jährlich steigt. Bis zum Jahr 2050 wird ein Anstieg bis zu 43,1 Milliarden Tonnen prognostiziert. Weil uns die Zeit buchstäblich davonrennt, werden neben Einsparmaßnahmen zusätzlich so genannte Negative-Emissions-Strategien verfolgt. Die Idee: einen Teil des bereits vorhandenen CO2 aus der Atmosphäre zu eliminieren, durch so genanntes CDR (Carbon Dioxide Removal). Dazu gehören natürliche Maßnahmen wie die Aufforstung als auch Hightech-Applikationen sowie hybride Strategien, also die Kombination aus Natur und Technologie. Die Schweizer Firma Climeworks zum Beispiel pumpt laut „Handelsblatt“ CO2 in den Boden und mineralisiert es, d.h. es wir in Gestein umgewandelt.
„Die Energiewende ist eines der größten nationalen IT-Projekte aller Zeiten und entfaltet eine neue, noch die da gewesene Dynamik. Ohne die digitale Transformation in der Energiewirtschaft kann es keine erfolgreiche Energiewende geben. Immer mehr Energieversorger nutzen diesen Trend und bündeln ihre Ideen in Digitalisierungsstrategien. Und dabei geht es um die große Frage: Wer wird sich wie und mit welchen Geschäftsmodellen am Energiemarkt der Zukunft behaupten.“
Ulf Gissel, Senior Consultant im Bereich Energie
2. Digitale Zwillinge: Evolution hoch zwei
Digitale Zwillinge verändern jede Branche. Sie bieten nicht nur maximale Transparenz, sondern bringen weitere Vorteile wie die Vernetzung von Produkten durch intelligente Kommunikation, einer systemübergreifenden Steuerung und Regelung, Effizienzsteigerung und ein hohes Analysepotenzial. Auch neue Servicekonzepte wie Predictive Maintenance lassen sich mit dem digitalen Zwilling realisieren. Deshalb sind sie auch in der Baubranche einer der vielversprechendsten Trends überhaupt, und zwar sowohl für Neubauten als auch für den Gebäudebetrieb. Sie bilden außerdem die Grundlage für Smart Buildings oder auch Smart Citys.
“Der Mehrwert von digitalen Zwillingen hat der Bau- und Immobilienbranche neuen Aufschwung gebracht. Dies spiegelt sich auch in unserer täglichen Arbeit wider, da für die gesuchten Berufsbilder eine deutlich höhere IT-Affinität erforderlich ist.”
Sahar Zabler, Business Unit Managerin Construction & Real Estate
3. Live Stream Shopping: Einkaufen als Event
Die letzten Jahre schon der Trend im Bereich E-Commerce (und natürlich vor allem in Asien ein mächtiger Treiber, in China werden bereits 10% aller Onlinekäufe über Live-Videos getätigt), wird Live Stream Shopping 2022 nun zum alles dominierenden Thema. Das Einkaufen wird zum Shoppingerlebnis. Ein wesentlicher Upgrade im Vergleich zum konventionellen Online-Shopping: die Interaktion zwischen der Brand und den Kund:innen via Chatfunktion und die Präsentation durch einen prominenten Host. In den USA wird das Marktvolumen laut „Forbes“ auf 11 Milliarden Dollar geschätzt bis Ende 2022, bis Ende 2023 soll es sich nochmal mehr als verdoppeln. Als einer der ersten deutschen Unternehmen hat im März 2021 Douglas einen Live Shopping Channel gestartet, auch Tchibo und Media Markt sind auf den Trend aufgesprungen.
„Die Bindung der Kunden mittels aller zur Verfügung stehender (digitalen) Kanäle hinweg sowie die Kreation einer digitalen Customer Journey ist die große Herausforderung im Consumer Market und wird über Erfolg oder Misserfolg von Brands entscheiden.“
Oliver Badura, COO und Mitgründer von HAGER
4. Hallo, Rob! Die Automatisierung des Arbeitsplatzes
Schon jetzt macht der Fachkräftemangel der deutschen Wirtschaft zu schaffen. Wenn in den nächsten Jahren die Babyboomer in Rente gehen, wird sich das Problem noch weiter verschärfen. Dabei geht es nicht nur um Industrieroboter, die einspringen und die Lücke schließen sollen. Auch administrative Jobs werden mehr und mehr durch Bots übernommen. Nach der Flutkatastrophe in Deutschland im Sommer 2021 gab es einen Ansturm auf die Versicherungen. Bei der Gothaer hat man laut „Wirtschaftswoche“ Bots von UiPath eingesetzt. „[Der Bot] bewegt Mauszeiger, öffnet Datenbanken, kopiert Vertragsnummern, Tarife, Adressen, klickt sich durch mehr als ein Dutzend Apps und bastelt aus 50 Daten sekundenschnell eine Schadensakte zusammen.“ Der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin müsse dann nur noch Termine für die Besichtigung ausmachen und die Schadensregulierung initiieren. Ein Beispiel für eine gelungene Human-Machine-Collaboration.
„Das Ineinandergreifen von menschlicher und künstlicher Intelligenz wird den Arbeitsplatz der Zukunft bestimmen, in der Fabrikhalle genauso wie in der Verwaltung und im Top Management“.
Dr. Monika Becker, Business Unit Director und Sector Head IT & Digitalisation der Horton Group International
5. Augmented and virtual Reality: Ganz neue Perspektiven
VR und AR sind nicht neu, aber nun kommen die wirklich entscheidenden Anwendungen dazu, die der Technik endgültig zum Durchbruch verhelfen dürften. Es existieren zahlreiche Spielfelder, und wo wir gerade beim Thema sind, Gaming ist nur eins davon. Auch im Real- Estate-Sektor ist die Technik auf dem Vormarsch, hier werden 3D-Besichtigungen möglich und zunehmend auch angenommen. Der amerikanische Immobilienriese Zwillow hat seinen Umsatz dadurch um 35 Prozent gesteigert, berichtet etwa „GeekWire“. Zum eigentlichen Wachstumssprung dürfte aber Meta sorgen. Sein VR-Headset „Oculus Quest 2“ ist ein Verkaufsschlager. Ob sich Metaverse in einem zweiten Anlauf nach dem Flop von Second Life in den frühen 2000er durchsetzt, wird sich noch zeigen.
“Ich sehe den Vorteil, den wir in Deutschland in AR und VR Anwendungen haben, vor allem in unserem wirtschaftlichen Motor: Dem (industriellen) Mittelstand. So können beispielsweise Kunden selbst in anderen Teilen der Welt Konstruktionen nicht nur sehen, sondern beinahe anfassen. Produktionsanlagen in Deutschland können damit autonomer agieren und somit den Produktionsstandort Deutschland wettbewerbsfähiger und attraktiver machen. VR und AR sind hier zwar nur ein Puzzleteil – dieses braucht es aber, um ein übergreifendes Gesamtbild zu erhalten.“
Kevin Eckstaedt, Manager Digital & Technology
6. Tock, Tock, Token: Die Demokratisierung der Finanzbranche
Die Dezentralisierung der Finanzbranche (Decentralized Finance, short: DeFi) entwickelt sich rasant weiter. Ein wichtiger Hebel in diesem Zusammenhang ist die Tokenisierung. Die so genannten digitalen „Wrapper“ erlauben eine automatisierte Ausführung von Transaktionen auf Blockchains, die Zwischenschaltung von Zwischenhändlern entfällt. Token ermöglichen, Vermögenswerte in so kleine Einheiten zu unterteilen, dass selbst große Investitionsprojekte auch für Kleinstanleger zugänglich werden.
„Blockchain und Tokenisierung haben das Potenzial, disruptiv und transformativ für viele Branchen und Gesellschaftsbereiche zu sein. Dies gilt insbesondere für weite Teile des bestehenden Finanzsystems mit einem sehr weiten Spektrum unterschiedlicher Marktteilnehmer und Finanzintermediäre. Der Handel und die Vermögensanlage mit Krypto-Assets stecken zwar noch in den Kinderschuhen, doch die Zukunftsvision einer ‚Token-Ökonomie‘ im Rahmen eines ‚dezentralen Finanzsystems‘ fordert das Finanz-Establishment trotz der bekannten Risiken schon jetzt heraus“.
Ralf Hager, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter
7. Am besten in beiden Welten: Hybride Arbeitsmodelle
Homeoffice oder Inhouse: Seit Corona hat das Entweder-Oder endgültig ausgedient. Einer Studie von Slack zufolge ist das hybride Modell am beliebtesten. Im Schnitt wollten die Befragten drei Tage die Woche im Büro und zwei Tage von Zuhause aus arbeiten. An die Unternehmen und vor allem die Führungskräfte stellt der Team-Split neue Anforderungen. Um dieses asynchrone Setting auszugleichen, werden neue Technologielösungen benötigt und die Neugestaltung von Räumen für die hybride Zusammenarbeit zur Folge haben.
„Die Arbeitswelt der Zukunft ist zweifelsfrei hybrid. Eine Umfrage von Forrester bestätigt das genauso, wie es unsere eigene Studie über das Thema ‚Zukunft der Arbeit‘ bereits Ende 2021 aufgezeigt hat. Ein großer Störfaktor zur erfolgreichen Umsetzung ist leider immer noch eine mangelhafte IT-Ausstattung. Veraltete oder gar ungeeignete Geräte bei den Mitarbeitenden stellen oft einen Fallstrick für die erfolgreiche Umsetzung von Hybrid Work dar“.
Martin Krill, geschäftsführender Gesellschafter.
8. Der Countdown läuft: Wettlauf zum Weltall
Elon Musk ist nicht der Einzige, der mit SpaceX das Potenzial der Weltraumfahrt entdeckt hat. In der Nähe von München baut Isar Aerospace mit Spectrum eine Kleinrakete, die Ende 2022 bei einem Jungfernflug Satelliten ins All befördern soll. Was wie ein Hobby für Milliardäre klingt, ist in Wahrheit eines der wichtigsten logistischen Infrastrukturprojekte der Zukunft. Aus dem Weltraum lassen sich Umwelt und Klima kontrollieren. Auch für die Automobilindustrie ist die Technik spannend. Die Investment-Holding von Volkswagen, Porsche SE, ist bei Isar Aerospace schon investiert, das inzwischen Europas führendes und bestfinanzierte private Raketen-Start-up ist.
“Ursprünglich eigens für die Raumfahrt entwickelt, sind Rauchmelder, akkubetriebene Werkzeuge, Solarpanel und Computerchips heutzutage ein selten hinterfragter Bestandteil unseres Alltags. Die Raumfahrt war stets Taktgeber für bahnbrechende Innovationen. Wir begleiten unsere Kunden aus diesem Segment in allen Fragen der Mitarbeitergewinnung. Ein Blick in die Innovationen der Weltraumfahrt von heute eröffnet uns den Blick für die Technologietrends von morgen.”
Leo Bingemer, Manager Industrial