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14/10/2024

Sahar Meets Niklas Lenkewitz
Sahar Meets Niklas Lenkewitz

Einführung und persönliche Vorstellung

Sahar Zabler (SZ): Willkommen zu unserem heutigen Podcast. Ich freue mich, heute mit einem Experten aus der Bau- und Immobilienbranche über ein sehr aktuelles und wichtiges Thema zu sprechen: Nachhaltigkeit in der Bauplanung und Gebäudetechnik. Lassen Sie uns direkt in das Gespräch einsteigen.

SZ: Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen und uns etwas über Ihre Rolle und Ihr Unternehmen erzählen?

NL: Mein Name ist Niklas Lenkewitz. Ich bin geschäftsführender Gesellschafter der Planungsgruppe KMO Ing.- GmbH aus Eutin. Wir sind ein klassisches Planungsbüro für technische Gebäudeausrüstung mit 24 Mitarbeitern und bearbeiten sämtliche Anlagengruppen und Leistungsphasen gemäß HOAI. Wir bearbeiten nahezu ausschließlich öffentliche Bauprojekte.

Nachhaltigkeit und CO2-Ausstoß

SZ: Nachhaltigkeit ist ein großes Thema in der Bauindustrie. Wie sehen Sie die Auswirkungen von CO2-Reduktion und Ressourcenverbrauch auf Ihre aktuellen Bauprojekte?

NL: Die von Ihnen genannten Themenfelder haben in den letzten Jahren immer höhere Relevanz erhalten. Bis vor ein paar Jahren waren diese Themenfelder zwar schon in den Projekten präsent, spielten aber im Vergleich zu den Themen Funktionalität, Kosten und Individualität eines Bauvorhabens eine eher untergeordnete Rolle. Die Relevanz hat dann über die letzten Jahre immer weiter zugenommen. Sie ist mittlerweile an einen Punkt gekommen, an dem man eindeutig sagen kann, dass die Themen Nachhaltigkeit und CO2-Ausstoß eines Bauvorhabens mit die wichtigsten Kriterien sind. Unabhängig von der Gebäudetechnik haben wir zum Beispiel festgestellt, dass mittlerweile die Sanierung eines Gebäudes einem Neubau vorgezogen wird, wenn sich die Kosten in einer ähnlichen Höhe darstellen.

Es wird somit in Kauf genommen, dass man mit Bestandssituationen in dem zukünftigen Gebäude umgehen muss, die man ggf. in einem Neubau besser hätte lösen können. Hintergrund dieser Entscheidung ist vielmehr, dass die sogenannte graue Energie, welche für die Erstellung des Gebäudes benötigt wurde, im Bestandsgebäude gespeichert ist. Diese würde im Falle eines Neubaus durch die Abbruchmaßnahme freigesetzt werden. Zudem müsste zusätzlich „neue“ Energie für den Neubau eines Gebäudes eingesetzt werden.

Veränderungen in der Gebäudetechnik

SZ: Wie hat sich die Gebäudetechnik in den letzten Jahren aufgrund der verstärkten Nachhaltigkeitsanforderungen verändert?

NL: Wie schon zu Frage 2 allgemein beantwortet, haben sich natürlich auch die Ansprüche und Herausforderungen für die Gebäudetechnik grundlegend geändert. So war es früher die Aufgabe eines TGA-Planers, dem Bauherrn ein funktionierendes Gebäude (z. B. Schule oder Krankenhaus) zu übergeben. Das Hauptaugenmerk lag hierbei z. B. auf einer modernen medientechnischen Ausstattung in der Schule. Die es dem Nutzer ermöglicht, die neuesten Methoden bei der Vermittlung von Lerninhalten anzuwenden. Diese Ansprüche hatten immer Vorrang, was zur Folge hatte, dass, wenn Kosten eingespart werden mussten, dies zu Lasten z. B. einer regenerativen, innovativen Energieversorgung ging. Mit Freude können wir nun feststellen, dass die Herstellung eines modernen Gebäudes, welches sämtlichen Anforderungen gerecht wird, nicht mehr in Konkurrenz zu einer nachhaltigen Energieversorgung steht. Innerhalb kürzester Zeit hat sich durchgesetzt, dass bei öffentlichen Gebäuden die Wärmeversorgung nahezu CO2-neutral ausgebildet werden muss und sämtliche Potenziale, wie z. B. PV-Anlagen auf den Dächern, ausgenutzt werden.

Sollte dies zum Teil im Budget der Baumaßnahme (welches oftmals schon Jahre zuvor festgelegt worden ist) nicht abzubilden sein, werden oft kreative Lösungen gesucht, sodass z. B. der Betreiber der PV-Anlage auf dem Dach nicht der Bauherr selbst, sondern der lokale Energieversorger ist. Im Bereich der Wärmeversorgung können die erhöhten Baukosten beispielsweise durch ein Contracting ebenfalls über einen externen Dienstleister gemindert werden.

Kosten und Planungsaufwand

SZ: Können Sie uns erklären, wie sich die gestiegenen Anforderungen an Nachhaltigkeit auf die Kosten und den Planungsaufwand in Ihren Projekten auswirken?

NL: Wir stellen fest, dass die Umsetzung eines regenerativen Wärme-/Energiekonzeptes um einiges umfangreicher und facettenreicher ist, als es die Versorgung mit fossilen Energieträgern zuvor war. Die Auswahl an Lösungsmöglichkeiten stellt sich deutlich vielfältiger dar. Die Energieversorgung eines Krankenhauses wurde innerhalb der letzten 10 Jahre fast ausschließlich über fossile Energieträger (Anschluss an ein Fernwärmenetz oder aber Versorgung durch Gaskessel) gelöst. Im Zeitalter der regenerativen Energieversorgung ist es kaum möglich, ein größeres öffentliches Gebäude mit nur einer Wärmeerzeugungsmöglichkeit zu versorgen. Oftmals sieht die Lösung ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Energieträger von Wärmepumpe (Luft-Wasser oder Sole-Wasser) über Solarthermie oder PVT-Kollektoren auf dem Dach in Kombination mit PV-Modulen vor. Perspektivisch gesehen werden weitere Energieträger wie beispielsweise Wasserstoff hinzukommen. Es ist völlig selbsterklärend, dass hierdurch ein immenser Mehraufwand im Rahmen der ersten Leistungsphasen anfällt. Des Weiteren führen diese regenerativen Energiekonzepte auch zu einer merklichen Erhöhung der Kosten in der KG 400.

Projektablauf und Honoraraufteilung

SZ: Inwiefern finden die komplexen Anforderungen an nachhaltige Wärmekonzepte derzeit in den Projektablaufplänen Berücksichtigung und wie wirkt sich das auf die Honoraraufteilung nach HOAI aus?

NL: Vorgenannter Mehraufwand fällt vor allem in den vorderen Leistungsphasen an. Für die Ausarbeitung der einzelnen Varianten wird bereits eine sehr detaillierte Planung der Wärmeversorgung benötigt. Dieses war zuvor erst Bestandteil der späteren Leistungsphasen. Diese Verschiebung der Planungsaufgaben ist in der derzeitigen HOAI nicht berücksichtigt. Betrachtet man lediglich das Gesamthonorar eines Bauvorhabens, so ist jedoch festzustellen, dass die zusätzlichen Planungsleistungen mit ebenfalls erhöhten Baukosten einhergehen, sodass wir bei der richtigen Wahl der Honorarzone die Vergütung unserer Planungsleistungen als auskömmlich ansehen.

Technischer Fortschritt und politische Rahmenbedingungen

SZ: Technischer Fortschritt und politische Entscheidungen ändern sich schnell. Wie gehen Sie mit der Herausforderung um, dass festgelegte Techniken bei der Ausführung bereits veraltet sein könnten?

NL: Wir sehen derzeit ein enormes Tempo beim technischen Fortschritt der regenerativen Energieversorgung. Des Weiteren sind wir mit sich ständig ändernden politischen Rahmenbedingungen konfrontiert. Diese Umstände sind gesellschaftlich gesehen als positiv zu bewerten, da beide Entwicklungen das gleiche Ziel einer völlig CO2-neutralen Energieversorgung und ressourcenschonender Bauvorhaben haben. Jedoch führt es in großen Bauvorhaben, welche eine Projektlaufzeit von ca. 4 Jahren (2,5 Jahre Planung und Genehmigungszeit und 1,5 Jahre Bautätigkeit) haben, zu großen Herausforderungen. Es muss einem Bauherrn bewusst sein, dass das nach bestem Wissen und Gewissen nachhaltig geplante und gebaute Gebäude zum Zeitpunkt der Fertigstellung nicht mehr unbedingt dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Wir nehmen diese Herausforderungen jedoch gerne an und stellen nebenbei auch fest, dass nahezu jeder Wirtschaftszweig mit diesem rasanten Wandel konfrontiert wird.

Planungssicherheit bei Fernwärme

SZ: Die Planungssicherheit bei der Nutzung von Fernwärme ist noch nicht gegeben. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Projekte und wie gehen Sie damit um?

NL: Die Tatsache, dass aufgrund der politischen Gesetzeslage jede öffentliche Gemeinde und Kommune dazu verpflichtet ist, ein Fernwärmekonzept bis Ende 2024 vorzulegen, stellt aktuell eine zusätzliche Herausforderung für die Planung öffentlicher Bauvorhaben dar. Da, wie in den vorherigen Antworten bereits dargestellt, die Frage der Wärmeversorgung bereits ganz zu Anfang des Bauprojektes geklärt werden muss. Oftmals gibt es zwar die Aussage, dass perspektivisch ein Fern-/Nahwärmenetz geplant ist. Ausführungszeiträume sind aufgrund nicht vorhersehbarer Kosten, Fachkräftemangel und unterschiedlichsten Genehmigungsverfahren jedoch nicht absehbar. Der Anschluss eines Gebäudes an ein regeneratives Fernwärmenetz stellt in jedem Fall die günstigste Art der CO2-neutralen Energieversorgung dar. Aus diesem Grund sollte der Aufbau von regenerativen Fernwärmenetzen höchste Priorität in sämtlichen Gemeinden und Kommunen haben. Die Tatsache, dass das Wärmenetz vor Fertigstellung des Gebäudes in Betrieb sein muss, stellt eine zusätzliche Herausforderung und Schnittstelle dar.

Nachhaltigkeit im Planungsbüro

SZ: Ihr Unternehmen geht mit gutem Beispiel voran, indem es nachhaltige Technologien einsetzt. Können Sie uns einige konkrete Maßnahmen nennen, die Sie umgesetzt haben?

NL: Es ist selbstverständlich, dass wir als Planungsbüro für technische Gebäudeausrüstung in Bezug auf CO2-neutrale Energien ein Vorbild sein sollten und wollen. Aus diesem Grund wird unser Bürogebäude über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Wärme versorgt. Die bereits seit über 10 Jahren im Betrieb befindliche PV-Anlage wurde im Jahr 2024 um zwei weitere PV-Anlagen erweitert. Des Weiteren haben wir einen Stromspeicher installieren lassen. Die gesamte Fahrzeugflotte des Planungsbüros besteht aus Elektrofahrzeugen. Die zuvor genannten Maßnahmen sind für uns als innovatives Unternehmen selbstverständlich. Sie stellen sich zum großen Teil bereits zum jetzigen Zeitpunkt als wirtschaftlich dar. Außerdem dienen sie uns als gute Beispiele der neuen Energietechniken für Bauherren oder aber auch für junge Mitarbeiter, welche teilweise nach dem Studium noch über geringe Praxiserfahrung verfügen.

Bewertungskriterien bei öffentlichen Aufträgen

SZ: Bisher spielt Nachhaltigkeit bei der Vergabe von Bauleistungen noch keine große Rolle. Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung dieses Themas bei öffentlichen Vergabeverfahren?

NL: Das Thema Nachhaltigkeit wird zum jetzigen Zeitpunkt bei Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge noch untergeordnet behandelt. Es ist unserer Meinung nach nur eine Frage der Zeit, bis weitere und konkretere Nachhaltigkeitskriterien in diesen Verfahren abgefragt werden. Wie bereits in der vorherigen Frage erläutert, sehen wir uns in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Wir freuen uns darauf, in zukünftigen Bewerbungsverfahren unseren zukünftigen Auftraggebern diesbezüglich unsere Überzeugungen und Handlungsweisen darzustellen. Sicherlich verursacht die Dienstleistung der Planung und Objektüberwachung nur einen kleinen Teil des CO2-Ausstoßes eines großen Bauvorhabens. Doch auch dieser sollte aktuell reduziert und perspektivisch egalisiert werden.

Ausblick in die Zukunft

SZ: Abschließend würde ich gerne Ihre Meinung zur Zukunft der Nachhaltigkeit in der Bau- und Immobilienbranche hören. Welche Trends und Entwicklungen erwarten Sie in den kommenden Jahren?

NL: Als kleines, mittelständisches Planungsbüro für technische Gebäudeausrüstung schauen wir sehr positiv in die Zukunft. Die Herausforderung von ressourcenschonenden Bauwerken und einer nachhaltigen Energieversorgung führt zu einem hohen Bedarf an unseren Planungsleistungen. Wir als Ingenieure freuen uns über den weiteren technischen Fortschritt. Wir sind hoch motiviert, die neuesten Technologien für unsere Bauherren wirtschaftlich zu planen und umzusetzen.

Abschluss:

SZ: Vielen Dank, dass Sie heute bei uns waren und so wertvolle Einblicke in das Thema Nachhaltigkeit und Gebäudetechnik gegeben haben.

Mehr erfahren über: Sahar Zabler

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