Im Interview mit dem Experten im Sektor Bau- und Immobilien, Sebastian Jung. Seit Januar verstärkt er als Manager das Team von Bereichsleiterin Sahar Faraji am Standort Berlin.
Im Dezember 2020 hat die WirtschaftsWoche in ihrer breit angelegten, exklusiven Studie die HAGER zum wiederholten Mal in sechs Kategorien zu den Branchen-Profis in der Personalberatung ausgezeichnet. Unter anderem auch in der Branche Immobilien.
Herr Jung, zunächst einmal herzlich Willkommen im Team von HAGER Executive Consulting. Sie sind langjähriger Experte in der Bau- und Immobilienbranche, worin liegt für Sie der besondere Reiz in dieser Branche?
Mich begeistern zum einen die Vielfältigkeit und die Gegenwärtigkeit von Immobilien als Alltagsobjekte und zum anderen der individuelle Wert, den Menschen „Beton“ beimessen, wie beispielsweise dem eigenen Zuhause. Immobilien sind für jeden von uns markante Alltagsbegleiter.
Die Ergebnisse der Arbeit in der Bau- und Immobilienbranche sind allgegenwärtig und für jedermann sichtbar. Dagegen sind die handelnden Akteure jedoch meist nicht zu erkennen oder unbekannt.
Seit dem Jahr 2014 bin ich in der Immobilienbranche aktiv und habe einen sehr umfassenden Einblick erhalten, was mich unmittelbar in den Bann gezogen und mir die Leistungsfähigkeit und Dynamik aufgezeigt hat, die von dieser Branche ausgeht.
Erkennen Sie gravierende Unterschiede zwischen den deutschen Großstädten? Beispielsweise Ost-West-Gefälle?
Ich denke, wer einmal durch Halle an der Saale geschlendert ist und kurz danach durch München Schwabing, dem wird der Unterschied deutscher Städte deutlich. Immobilien sind eine Materialisation des gewachsenen Selbstverständnisses und der Historie einer Stadt. Bedingt durch die deutsche Geschichte ist auch dieser Unterschied in den verschiedenen Facetten meiner Arbeit immer wieder festzustellen.
Steigende Immobilienpreise, hohe Nachfrage, günstige Zinsen: Die Bedingungen auf dem deutschen Markt der Immobilien lassen Medien und Experten immer wieder darüber spekulieren, ob sich in Deutschland eine Immobilienblase im Jahr 2021 entwickelt. Wie schätzten Sie das ein?
Überall dort, wo Immobilienkaufpreise und zu erzielende Mieten deutlich entgleisen, kann man wohl von einem überhitzten Markt sprechen. Das gilt insbesondere für Großstädte. Zudem ziehen heute deutlich weniger Menschen in Metropolen als in den vergangenen Jahren, was sicherlich auch mit dem Mietpreisniveau zusammenhängt. Gleichzeitig gibt es eine Abwanderung in das Umland und damit eine „Entlastung“ der städtischen Immobiliennachfrage. Auch die in den letzten Jahren – zudem stark durch Corona befeuert – infrage gestellten Büro- und Einzelhandelskonzepte befinden sich unter Bedrängnis.
Mit einem niedrigeren Zinsniveau wird zukünftig vermutlich nicht zu rechnen sein, da Negativzinsen massive Konsequenzen auf das deutsche Sparverhalten bedeuten würden. Es gibt also durchaus Zeichen, die auf eine weniger „goldene Zukunft“ schließen lassen und die eher an die wirtschaftlichen Herausforderungen der 1970er-Jahre erinnern. Eine Blase wie in den USA vor der Lehman-Pleite ist laut der herrschenden Expertenmeinung in Deutschland aber nicht zu befürchten.
Wie hat sich der Arbeitsmarkt in dieser Branche verändert? Entsprechen die Anforderungen an geeignete Kandidat:innen noch denen, als Sie die Branche anfänglich kennengelernt haben? Oder sind ggf. neue dazugekommen?
In den letzten Jahren gab es eine Verschiebung hin zu einem starken Arbeitnehmermarkt. Angetrieben wurde dies zum einen durch den hohen Grad der Spezialisierung der Positionen innerhalb der Unternehmen sowie maßgeblich durch die sehr gute konjunkturelle Entwicklung Deutschlands, die sich äußerst positiv auf die Bau- und Immobilienwirtschaft ausgewirkt hat.
Zudem können wir bereits heute in unserer täglichen Arbeit feststellen, dass neben den Fachkompetenzen die Persönlichkeitsmerkmale an Wichtigkeit weiter zugenommen haben.
Wie wirkt sich das Thema digitale Transformation auf die zu besetzenden Mandate aus?
Es hängt stark davon ab, welchen Einfluss eine Position auf den Erfolg eines Unternehmens hat. Das C-Level nimmt sich Themen an, die in ihrer Innovationskraft und Tragweite wohl am besten mit der Industrialisierung zu vergleichen sind. Das gesamte Unternehmenskonstrukt muss neuformiert werden und dies meist unter hohem Zeitdruck, der durch die rasante technologische Entwicklung entsteht.
Dabei müssen sich Unternehmen reorganisieren und neue Prozesse kreieren, was zwangsläufig dazu führt, dass Positionen entstehen, an die gestern noch nicht zu denken war. Dabei muss stets Maß gehalten werden, um die Transformation zu schaffen, aber die Firmen-DNA nicht fundamental zu verändern.
Der Blick in die Glaskugel, wie stellen Sie sich den Immobilienmarkt und die zu besetzenden Mandate 2030 vor?
Die Immobilienbranche hat 2030 den Einstieg in die digitale Welt sehr gut gefunden. Die Chance für neue Geschäftsmodelle (Stichwort prop-tech) wurden aktiv und intensiv vorangetrieben, um nicht nur intelligente Neubauten zu entwickeln, sondern auch den Bestand upzudaten. So ergaben sich wirtschaftliche Wachstumsfelder und bedeutende Beiträge zum Umweltschutz.
Die zu besetzenden Mandate haben einen eklatanten Veränderungsprozess erlebt. Algorithmen werden einen nicht unerheblichen Part der zu besetzenden Position, die heute noch durch Personalagenturen bearbeitet werden, durch die Auswertung großer Datenmengen „besetzen“ können. Überall dort, wo Mitarbeitende in kurzen Zeitzyklen Jobwechsel vollziehen, geht es um Geschwindigkeit und Quantität. Eine Austauschbarkeit von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen ist nach meiner Einschätzung vice versa gewünscht.