Business Unit Manager, Financial Services, Henning Sander.
Gerade Banken und andere Finanzinstitute stehen vor einem doppelten Dilemma: Die Aufgaben bei der Transformation der Branche sind gewaltig, doch die Zahl geeigneter Kandidaten für die Besetzung von Führungsjobs sinkt. Rekrutierungs-Profi Henning Sander von HAGER Executive Consulting kann als Partner der HR-Abteilungen da den Unterschied ausmachen. Ein Gespräch über den Transformationsdruck in der Finanzbranche, den Fachkräftemangel und passende Strategien dagegen.
Im Finanzsektor vollzieht sich derzeit eine massive Transformation hin in Richtung nachhaltige Digitalisierung und Optimierung. Welche Rolle spielen dabei die Führungskräfte? Welche strategische Ansätze existieren, damit Führungskräfte diese Transformation aktiv vorantreiben können?
HAGER: Führungskräfte haben drei wichtige Aufgaben im Transformationsprozess. Erstens müssen sie Treiber für eine Kultur des Wandels sein. Sie sollten eine Umgebung schaffen, in der Innovationen und kontinuierliche Verbesserung nicht nur akzeptiert, sondern auch gefördert werden. Die Teams sollten ermutigt werden, neue Technologien und Arbeitsweisen zu erlernen und zu adaptieren. Zweitens müssen Führungskräfte sicherstellen, dass ihre Teams zur Transformation befähigt sind, also die notwendigen Fähigkeiten besitzen.
Dies kann zum Beispiel durch gezielte Schulungen, Mentoring-Programme, aber auch durch das Einstellen (externer) Mitarbeiter mit Expertise im Transformationsumfeld geschehen. Kooperationen mit Technologieanbietern und anderen Organisationen können dazu beitragen, die digitale Transformation zu beschleunigen und neue Perspektiven und Lösungen in die Organisation zu bringen. Drittens müssen Führungskräfte Technologieinvestitionen priorisieren, wie zum Beispiel im Bereich Cloud-Computing, künstliche Intelligenz oder Verarbeitung von Big Data. Darüber hinaus sollten Führungskräfte immer im Blick behalten, inwiefern diese drei Aufgaben erfüllt wurden. Dazu sind Mechanismen zur Messung und Überwachung des Fortschritts der digitalen Transformation nötig. Regelmäßige Berichte und Dashboards können helfen, den Überblick zu behalten und sicherzustellen, dass die Transformation auf dem richtigen Weg ist.
Die erfolgreiche Umsetzung der digitalen Transformation im Finanzwesen gilt als essenziell für das Fortbestehen der Unternehmen. Welche spezifischen Kompetenzen, Qualifikationen und auch persönliche Einstellungen halten Sie für unerlässlich, damit Führungskräfte effektiv in diesem Bereich tätig sein können?
HAGER: Führungskräfte benötigen zum einen ein hohes Maß an methodischer und fachlicher Kompetenz. Dazu zählt ein tiefes Verständnis für die zugrundeliegenden Technologien. Sie müssen mit Konzepten wie künstlicher Intelligenz, Machine Learning, Blockchain, Big Data und Analytics vertraut und in der Lage sein, diese Technologien effektiv zu nutzen und in ihre bestehenden Prozesse zu integrieren. Außerdem müssen sie Daten analysieren, interpretieren und die korrekte Entscheidung daraus ableiten können. Gleichzeitig erfordert die digitale Transformation ein hohes Maß an strategischem Denken. Führungskräfte müssen die aktuelle digitale Landschaft verstehen, Chancen und Risiken identifizieren und eine klare Strategie für die digitale Transformation ihres Unternehmens entwickeln und umsetzen.
Zum anderen benötigen Führungskräfte eine Reihe persönlicher Kompetenzen. Sie müssen in der Lage sein, ein inspirierendes und motivierendes Arbeitsumfeld zu schaffen, sodass die Mitarbeiter den Transformationsprozess mit Freude angehen. Die digitale Landschaft verändert sich ständig. Daher ist zudem eine hohe Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Führungskräfte müssen bereit sein, stets neue Fähigkeiten zu erlernen und ihr Wissen auf dem aktuellen Stand zu halten.
Welche besonderen Herausforderungen und Chancen ergeben sich bei der Besetzung von Führungspositionen im Finanzsektor, insbesondere in Bezug auf die Förderung von Digitalisierung und Optimierung?
HAGER: Es ergeben sich diverse Chancen bei der Besetzung von Führungspositionen. Vor allem bei externen Besetzungen bietet sich die Möglichkeit für das Unternehmen, frischen Wind in das Unternehmen zu bringen. Dies wird bei internen Besetzungen häufig durch langjährige Sozialisation mit veralteten Denkweisen und Strukturen erschwert. Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ergeben sich positive Effekte, wie zum Beispiel die Verbesserung von bestehenden Prozessen, Kostenreduktionen oder die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Unternehmen, die diese Chancen nutzen, können sich von der Konkurrenz abheben und einen Wettbewerbsvorteil erzielen.
Die Herausforderung bei all den bestehenden Chancen ist es, die Belegschaft beim Transformationsprozess „mitzunehmen“, also die Mitarbeiter aktiv mit einzubeziehen, ihnen die Vorteile für sich selbst und das Unternehmen zu verdeutlichen. Oft bestehen Ängste vor Veränderungen, die es als Führungskraft zu entkräften gilt. Hierbei ist der Führungsstil und die Persönlichkeit der Führungskraft entscheidend: Gelingt es der Person, innerhalb der Belegschaft eine Akzeptanz oder sogar eine Unterstützung für die Veränderung zu erreichen, oder entstehen für das Unternehmen schädliche Widerstände, die nur schwer aufzubrechen sind.
Wenn wir interne strategische Maßnahmen zur Talentgewinnung und -entwicklung in Finanzunternehmen betrachten, stellt sich die Frage, welche konkreten Schritte ergriffen werden können, um qualifizierte Führungskräfte zu identifizieren, die den Digitalisierungsprozess effektiv leiten?
HAGER: Ein effektiver Weg, um fachliche und persönliche Fähigkeiten einer potenziellen Führungskraft zu beurteilen, ist die Durchführung strukturierter Interviews oder Assessment-Center, die genau auf die erforderlichen Kompetenzen abzielen. Sind Talente im Unternehmen identifiziert, gilt es, diese individuell im Entwicklungsprozess zu begleiten und zu fördern. Dies kann beispielsweise durch regelmäßige Leistungsbeurteilungen, 360-Grad-Feedbacks oder Karriereentwicklungspläne erreicht werden. In diesen Entwicklungsplänen kann der Fokus auf Digitalisierung gelegt werden. Neben technischen Trainings sollten auch solche zu persönlichen Kompetenzen Gegenstand der Weiterbildung sein. So wird sichergestellt, dass Führungskräfte nicht nur fachlich zur Transformation befähigt sind, sondern sie auch die Mitarbeiter effektiv im Prozess begleiten können.
Schließlich sollte eine externe Talentsuche in Betracht gezogen werden. Obwohl die Entwicklung interner Talente wichtig ist, kann auch von der Einbeziehung von Führungskräften profitiert werden. Diese haben bereits Erfahrung in der Leitung von Digitalisierungsprozessen in anderen Finanzunternehmen oder Branchen. Dies kann durch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Personalberatungen erreicht werden, die Zugang zu einem breiten Pool qualifizierter Kandidaten haben.
Wie finden denn Finanzunternehmen im aktuellen Marktumfeld die geeigneten externen Kandidaten für die notwendige Transformation?
HAGER: Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass sich gute und sehr gute Kandidaten ihren Arbeitgeber aussuchen können. Der Wert einer starken Arbeitgebermarke sollte daher nicht unterschätzt werden. Unternehmen benötigen eine klare und überzeugende Botschaft über ihre Werte, ihre Kultur und die Vorteile, die sie ihren Mitarbeitenden bieten. Im aktuellen Umfeld ist es wichtiger denn je, den Fokus auf den „kulturellen Fit“ eines Kandidaten zu legen. Wenn es kulturell zwischen Firma und Kandidaten stimmt, erhöht das zugleich die Leistungsbereitschaft sowie die Zufriedenheit – und damit die Wahrscheinlichkeit für den langfristigen Erfolg.
Dieser Fit lässt sich beispielsweise durch vermehrte situative Fragestellungen im Bewerbungsprozess identifizieren.
Um überhaupt geeignete Kandidaten zu finden, ist ein belastbares Netzwerk entscheidend. Über das Netzwerk sprechen wir als Personalberatung nicht nur Kandidaten direkt an, sondern greifen auch auf Empfehlungen zurück. Erfolgreiche Platzierungen resultieren meist aus Direktansprachen. Viele geeignete Fachkräfte sind nicht auf Plattformen wie Xing und LinkedIn aktiv. Andere wiederum reagieren dort aufgrund der häufigen Ansprache weniger häufig.
Inwiefern unterscheidet sich die Partnerschaft mit einem Personalvermittler, der Finanzunternehmen bei der Rekrutierung und Vermittlung von Führungskräften unterstützt, von der hauseigenen HR-Abteilung mit eigenen Ausschreibungen?
HAGER: Die wichtigsten Vorteile einer spezialisierten Personalberatung wie HAGER gegenüber einer internen HR-Abteilung sind das Netzwerk und die Erfahrung mit vergleichbaren Unternehmen. Personalberatungen bauen Kontakte langfristig auf. Das bedeutet, dass sie besseren Einblick in die persönliche und berufliche Situation der Kandidaten erhalten und somit gegebenenfalls den idealen Zeitpunkt zur Ansprache abpassen können. Zudem haben sie Zugang zu Kandidaten, die nicht auf sozialen Plattformen wie Xing oder LinkedIn aktiv sind. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Funktion der Personalberatung als Vermittler zwischen Unternehmen und Kandidat. Für die Beratung ist es wichtig, sowohl dem Unternehmen als auch dem Kandidaten zu helfen. Der Status als dritte Partei hilft, ein besonderes Vertrauensverhältnis zu schaffen. Kandidaten reagieren auf uns als neutralen diskreten Partner offener und unbefangener.
Über Hennig Sander
Henning Sander leitet seit über zehn Jahren die Business Unit Banking bei HAGER Executive Consulting. Hier besetzt er Führungspositionen bei Banken und Versicherungen sowie FinTechs und InsurTechs. Der ausgebildete systemische Coach und Psychologe achtet besonders auf die Vereinbarkeit der Persönlichkeiten mit der Kultur der Unternehmen, die er berät.
Dieser Beitrag enthält Inhalte und Zitate aus dem Artikel „Ein belastbares Netzwerk ist entscheidend“, zuerst und ursprünglich veröffentlicht auf Finanzwelt am 17.10.2023. Der vollständige Artikel kann hier eingesehen werden.