Im Interview mit Dawid Sarbu.

Daniel Glaremin ist ein deutscher Versicherungsexperte und Unternehmer. Er gilt als Experte für den Aufbau von Start-ups und hat über 15 Jahre Erfahrung im Versicherungssektor. Als Mitgründer und COO von LOYAGO baut er mit seinem Team die Agentur der Zukunft: datenbasiert, technologiegetrieben und konsequent am Kunden ausgerichtet.
Zukunftsstrategien für die Versicherungsbranche
Dawid Sarbu: Daniel, schön, dass es geklappt hat und Du heute hier bist! Bevor wir ins Detail gehen – für alle, die LOYAGO noch nicht kennen: Kannst Du uns bitte kurz erklären, wofür LOYAGO steht und was ihr macht?
Daniel Glaremin: LOYAGO ist aus über zehn Jahren Erfahrung im Maklermarkt entstanden. Wir haben festgestellt, dass die Zahl der Versicherungsverträge in Deutschland stetig steigt – voraussichtlich wird 2028 die Marke von 500 Millionen erreicht – während die Zahl der Vermittler deutlich sinkt. Das führt zu einer wachsenden Lücke zwischen Betreuungsbedarf und vorhandenen Ressourcen. Gleichzeitig wird die Neukundengewinnung über Plattformen wie Google oder Meta immer teurer, während die Qualität der Leads sinkt.
Unsere Antwort darauf ist der Fokus auf Bestandskunden. Viele Versicherer haben Kunden mit ein bis zwei Verträgen, obwohl die durchschnittliche Anzahl eher zwischen fünf und acht liegt. Wir übernehmen Bestände als Mehrfachagentur, aktivieren sie, führen mehrere Service-Interaktionen pro Jahr durch, reichern Daten an und erhöhen so die Vertragsdurchdringung. Unser Ziel: Kunden, die bisher nur ihre Beitragsrechnung erhalten haben, mit hyperpersonalisierten Mehrwerten zu begeistern und sie so zu loyalen Stammkunden zu entwickeln. Das schafft eine echte Win-Win-Situation für den Kunden und Versicherer.
Fokus auf Bestandskunden: Wachstum durch Kundenbindung
Dawid Sarbu: Spannend – vor allem der Fokus auf Bestandskunden ist ja ein Ansatz, den viele gar nicht so stark im Blick haben. Das klingt nach einer klaren Strategie, die nicht nur kurzfristig wirkt, sondern auch langfristig trägt. Apropos langfristig: Was ist denn eure Vision für LOYAGO?
Daniel Glaremin: Wir wollen die „Agentur der Zukunft“ mitgestalten: datengetrieben, technologiegestützt, effizient – und persönlich dort, wo es Mehrwert bringt. Außerdem möchten wir das Image des Versicherungsvertriebs verbessern. Der Beruf steht in Beliebtheitsrankings oft weit unten, noch hinter der Politik. Wir sind überzeugt, dass das nicht so bleiben muss, und wollen zeigen, dass die Branche viele engagierte und kompetente Köpfe hat. Indem wir Menschen vor den Folgen schwerer Schicksalsschläge sichern und so u.a. vor dem finanziellen Ruin bewahren, üben wir einen sehr wichtigen und ehrbaren Beruf aus. Darauf dürfen wir stolz sein.
Differenzierung im Markt: Digitalisierung ohne Komplexität
Dawid Sarbu: Das klingt nach einem echten Kulturwandel in der Branche – und auch nach einem hohen Anspruch an euch selbst. Wenn wir mal auf den Markt schauen: Was unterscheidet euren Ansatz denn konkret von anderen?
Daniel Glaremin:Die Arbeit am Bestand ist nicht neu, aber wir stellen sie strategisch in den Mittelpunkt. Wir nutzen bestehende Prozesse der Versicherer, um keine zusätzliche Komplexität zu erzeugen, und übernehmen die Übersetzung der Daten in unsere Systeme. So können wir schnell starten – oft innerhalb von ein bis zwei Wochen – und den Aufwand für den Versicherer minimal halten.
Recruiting im Insurtech-Umfeld: Wann externe Expertise entscheidend ist
Dawid Sarbu: Verstehe – also schnelle Umsetzung mit wenigen Reibungsverlusten für den Versicherer. Um das voranzutreiben, braucht ihr sicherlich die richtigen Köpfe. Wie bekommt ihr diese und arbeitet ihr auch mit Headhuntern zusammen?
Daniel Glaremin: Das Team ist ein wichtiger und entscheidender Faktor. Für operative Rollen rekrutieren wir meist selbst. Für Schlüsselpositionen insbesondere im Management sind Headhunter eine hervorragende Ergänzung und Unterstützung. Darauf haben wir in meinen vorherigen Positionen immer wieder zurückgegriffen. Ganz besonders, wenn spezielle Fähigkeiten und Erfahrungen gewünscht sind. Beispielsweise für CFOs und Manager mit IPO-Erfahrung. Startups wachsen oft schneller, als Strukturen aufgebaut werden können. In solchen Phasen ist externe Unterstützung wertvoll, um gezielt Erfahrung ins Unternehmen zu holen.
Künstliche Intelligenz im Versicherungsvertrieb: Effizienz trifft Datenschutz
Dawid Sarbu: Man merkt, ihr wisst genau, wann ihr externe Expertise braucht und wann nicht.
Zur Unterstützung und um das Geschäft voranzutreiben, setzen viele Unternehmen auch auf Tools und nutzen dabei vermehrt künstliche Intelligenz. Das ist derzeit ein viel diskutiertes Thema, welches ich auch hier beleuchten möchte. Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz bei LOYAGO?
Daniel Glaremin: KI setzen wir gezielt ein, etwa für Wissensdatenbanken, Dokumentenverarbeitung, Datenklassifizierung und Prozessautomatisierung. Wir hosten viele Systeme selbst, um Datenschutzanforderungen im regulierten Umfeld zu erfüllen. Ein zentrales Problem der Branche ist die Datenqualität: Oft fehlen grundlegende Kontaktdaten oder sind nicht aktuell. Ohne diese Basis bringt die beste KI nichts. Deshalb liegt unser erster Schritt in der Datenanreicherung.
KI nutzen wir dort, wo sie Effizienzgewinne bringt und datenschutzkonform betrieben werden kann – zum Beispiel bei der automatisierten Dokumentenverarbeitung, der Transkription von Gesprächen oder der strukturierten Aufbereitung von Daten für personalisierte Kundenansprache. Chatbots setzen wir derzeit noch nicht ein, da uns basierend auf der Bestandsstruktur der persönliche Kontakt auch heute noch eine hohe Relevanz für viele Bestandskunden hat und uns auch ein sehr wichtiges Anliegen ist.
Markttrends im Insurtech: Konsolidierung und Kapitalzugang
Dawid Sarbu: Sehr spannend – vor allem, dass ihr KI so gezielt einsetzt. Wenn wir den Blick etwas weiten: Wie schätzt Du denn die aktuelle Situation im Insurtech-Markt ein?
Daniel Glaremin: Der Markt befindet sich in einer Konsolidierungsphase. Der Insurtech-Bereich war ein großer Hyper – wie zuvor Fintechs. Kapital ist teurer geworden, und aktuell fließt viel Geld in KI-Startups und auch die Rüstungsindustrie. Dennoch gibt es weiterhin Finanzierungsmöglichkeiten, wenn der Business Case überzeugt. Private-Equity-Fonds und Maklerpools investieren verstärkt in Bestandsaufkäufe und Konsolidierung. In den USA hat diese Entwicklung bereits früher begonnen. Herausforderungen bestehen vor allem beim Kapitalzugang: Venture Capital kommt oft aus dem Ausland, Gewinne fließen demnach ab. Förderprogramme sind vorhanden, aber der Zugang ist bürokratisch und intransparent. Unterschiede zwischen Banken, lange Bearbeitungszeiten und die Notwendigkeit externer Fördermittelberater erschweren den Prozess. Ich denke daher, dass wir als Versicherungsbranche gut beraten sind, wenn wir mutiger Kooperationen und Innovationen gemeinsam aus der Branche selbst entwickeln.
Digitalisierungspotenziale: Wie Versicherer aufholen können
Dawid Sarbu: Das hört man häufiger und klingt nach einer herausfordernden Phase. Wenn wir über Herausforderungen sprechen: Wo siehst Du denn die größten Digitalisierungspotenziale in der Versicherungsbranche?
Daniel Glaremin: Viele Verwaltungssysteme sind 20 bis 25 Jahre oder älter. Die Legacy ist groß, die Datenqualität ausbaufähig, Prozesse nicht schnell genug und zu oft noch zu wenig echter Fokus auf Kundenbedürfnisse. Projekte zur Modernisierung dauern oft viele Jahre. Daraus ergeben sich große Potenziale für die Automatisierung manueller Prozesse, die Integration von LegalTech-Lösungen, die Optimierung von Marketing- und Vertriebsschnittstellen sowie für Plattformmodelle zur Endkundeninteraktion. Die starke Regulierung verlangsamt Innovation, bietet aber auch Chancen für spezialisierte Lösungen.
Kooperation statt Disruption: Das neue Miteinander von Versicherern und Insurtechs
Dawid Sarbu:Da steckt also noch eine Menge ungenutztes Potenzial drin. Was die Regulierung angeht, hören wir das öfter. Mich würde auch interessieren: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Versicherern und Insurtechs in den letzten Jahren verändert?
Daniel Glaremin: Vor einigen Jahren sahen viele Versicherer Insurtechs als potenzielle Disruptoren. Heute überwiegt der kooperative Ansatz. Insurtechs setzen sich meist auf Teile der Wertschöpfungskette, nicht auf die gesamte. Sie werden zunehmend wie normale Vertriebspartner angebunden.
Erfolgsfaktoren der Zukunft: Bestandsmanagement, KI und Kooperation
Dawid Sarbu: Wenn Du nach vorne schaust – welche Erfolgsfaktoren werden für Insurtechs in den nächsten Jahren entscheidend sein?
Daniel Glaremin: Erstens: Bestandsmanagement wird ein zentrales Thema. Zweitens: KI bietet Effizienzpotenzial, ist aber auf qualitativ hochwertige Daten angewiesen. Drittens: Der Kapitalzugang muss gesichert werden – idealerweise stärker aus Deutschland und der EU. Viertens: Kooperationen zwischen Versicherern und Insurtechs werden wichtiger, während disruptive Ansätze seltener werden.
Fazit: Die Versicherungsbranche im Wandel – datenbasiert, kundenzentriert, menschlich
Dawid Sarbu: Vielen Dank für das Gespräch, Daniel. Ich verstehe, dass Insurtechs ein großes Potenzial haben und sie in der Branche Akzeptanz finden. Bis sie jedoch das Standing erreicht haben, dass manche bekannte Fintechs bereits haben, braucht es noch Zeit, Mühe und hilfreiche politische Entscheidungen. Offensichtlich geht es jedoch in die richtige Richtung. Das letzte Wort überlasse ich gern Dir – hast Du noch abschließende Worte zum Thema?
Daniel Glaremin:Die Zukunft der Versicherungsbranche liegt in der intelligenten Nutzung bestehender Kundenbeziehungen, unterstützt durch gezielten KI-Einsatz und datengetriebene Prozesse – nicht in der reinen Jagd nach Neukunden.


