Ein Artikel von Thomas Wetzel.

Unter einem Nugget versteht man u.a. einen unter natürlichen Umständen entstandenen Edelmetallklumpen. Die Generation der Babyboomer, die heute zwischen Ende fünfzig und Anfang sechzig sind, ist sinnbildlich ein solcher Edelmetallklumpen. Sie hat in den letzten Jahrzehnten Beeindruckendes geleistet. Viele Grey Nuggets haben ihre Verpflichtungen getilgt, ihre Kinder großgezogen, Häuser gebaut, Unternehmen geführt, Verantwortung getragen und die deutsche Wirtschaft über viele Jahre hinweg mitgestaltet. Viele von ihnen haben es in hohe Managementpositionen geschafft, waren erfolgreich und haben gutes Geld verdient.
Nun stehen viele dieser Menschen an einem Punkt, an dem sie noch einmal tätig sein möchten – nicht aus finanzieller Not, sondern aus einem tiefen Bedürfnis nach Sinn und Wirksamkeit. Sie wollen ihr Wissen einbringen, ihre Erfahrung teilen und eine Aufgabe übernehmen, die für sie Bedeutung hat. Dabei sind sie bereit, auf hohe Einkommen, Führungsverantwortung oder Statussymbole zu verzichten.
Trotz dieser Motivation stößt diese Generation auf eine Mauer des Desinteresses. Der Arbeitsmarkt zeigt ihnen die kalte Schulter. Unternehmen und Headhunter schenken ihnen kaum Beachtung. Das Urteil fällt vorschnell: zu alt, zu teuer, zu weit weg von aktueller Technologie und modernen Arbeitsweisen. Diese Einschätzungen sind in vielen Fällen schlicht falsch – und sie lassen außer Acht, welches Potenzial in diesen „Grey Nuggets“ steckt.
Denn hier haben wir es mit Menschen zu tun, die jahrzehntelange Erfahrung im Lösen komplexer Probleme mitbringen. Menschen, die gelernt haben, Teams zu führen, Krisen zu bewältigen, Strukturen aufzubauen und ggf. wieder zu verwerfen. Sie haben gelernt Verantwortung zu übernehmen. Es sind Menschen, die Disziplin, Ausdauer und Loyalität kennen und die gerade deshalb eine enorme Bereicherung für Unternehmen sein könnten – als Coaches, als Berater, als Mentoren oder auch als wertvolle Teammitglieder in den verschiedensten Rollen.
Doch die Wirtschaft erkennt den Wert dieser Ressource nur in Ausnahmefällen oder oft genug gar nicht. Stattdessen verschließt sich der deutsche Arbeitsmarkt gegenüber dieser Ressource. Wir hören Klagen über Fachkräftemangel, über eine junge Generation, die angeblich mehr Wert auf Freizeit legt als auf Leistung, und über fehlende Innovationskraft. Gleichzeitig lassen wir zu, dass hochmotivierte, kompetente, erfahrene Arbeitskräfte ausgegrenzt werden.
Das ist nicht nur ein Fehler – es ist arrogant und dumm zugleich.
Eine generationsübergreifende Symbiose, in der das Wissen der Älteren mit der Dynamik und dem frischen Denken der Jüngeren kombiniert wird, wäre ein Gewinn für beide Seiten. Aber statt diese Chance zu nutzen, halten wir an alten Weltbildern fest, bedienen Klischees, verschenken damit wertvolles Potenzial und verschwenden Zeit bei der Neuorganisation unserer Wirtschaft.
Wieder einmal tun wir das Offensichtliche nicht, sondern ziehen es vor, zu jammern. Wir reden vom Fachkräftemangel – und übersehen die Grey Nuggets direkt vor unserer Nase